Was haben die Liköre von Papas Bester, das kindgerechte Bildungsprogramm für Internetsicherheit Smart Kid Security und der digitale Gebissabdruck von Denton Systems gemeinsam? All diese Produktideen stammen von THB-Absolventen und sind gewissermaßen das Resultat eines MINT-Studiums in Brandenburg an der Havel. Schließlich müssen auch die guten Ideen dieser Welt erst einmal irgendwoher kommen.
Wer dann als frisch gebackene Maschinenbauingenieurin, als angehender Medieninformatiker oder ausgewiesene Photonik-Expertin die eigenen Ideen – oder das Know-how der anderen – unternehmerisch verwerten möchte, sollte bei Claudia Dobritius und dem ganzen Team im Zentrum für Gründung und Transfer (ZGT) anklopfen. Die 35-Jährige als Teil eines siebenköpfigen, interdisziplinären Teams kümmern sich um alle Fragen rund um das Thema Existenzgründung.
Fragen und Antworten rund um die Existenzgründung
Für den sogenannten Gründungscampus organisieren sie Workshops und Veranstaltungen, knüpfen wertvolle Kontakte zu den richtigen Adressen und geben auf vielfältige Weise die Starthilfe bei den ersten Gehversuchen von Jungunternehmen. Das kann Hilfe bei der Beantragung von Gründerstipendien sein, ein Arbeitsplatz im Coworking Space der THB, aber auch die individuelle Beratung von der ersten Projektskizze bis zur Vermarktung eines Produkts.
Denn auf den ersten Prototypen, das passende Patent oder die Testversion der App, auf die alle nur gewartet haben, folgt in vielen jungen Köpfen zunächst eine ganze Reihe marktwirtschaftlicher Fragezeichen: Bin ich überhaupt innovativ? Welche Rechtsform passt zu meinem Vorhaben? Wie sieht ein Businessplan aus, was ist meine Zielgruppe? Wie komme ich an Geld und wie überzeuge ich Investoren von meiner Idee?
Wissen wirkt: mit wissenschaftlicher Expertise zur Marktreife
„Bevor das alles angegangen wird, müssen Interessierte zunächst einmal für das Thema Gründung herangeführt werden“, sagt Claudia Dobritius. Denn was es auch braucht, sind Motivation, ein langer Atem und ein gewisser Unternehmergeist.“
Ebenso braucht es eine realistische Einschätzung des Vorhabens, weshalb auch die Beurteilung einer Idee oder ihres Potenzials durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der THB zum Beratungsangebot gehört. Das sind nicht selten Professorinnen und Professoren oder erfahrene Führungskräfte aus Unternehmen, die Gründerinnen und Gründer im günstigsten Fall als Mentorinnen und Mentoren auf ihrem weiteren Weg begleiten.
Das Mentoring ist vor allem bei Projekten mit tragfähigem Konzept sinnvoll, die beispielsweise im Rahmen eines EXIST-Stipendiums zur Marktreife geführt werden können. Dabei erhalten die Stipendiatinnen und Stipendiaten ein existenzsicherndes Einkommen aus Mitteln der Bundesregierung und können sich unter den Fittichen von Coaches ganz ohne Eigenkapital auf ihr Gründungsvorhaben konzentrieren.
„Für diese Teams haben wir ein eigenes Programm, die Gründungsakademie“, erzählt Claudia Dobritius. „Es steht übrigens auch Gründerinnen und Gründern offen, die gern die Idee oder das Patent von anderen vermarkten wollen. Das Wichtigste ist, dass sie den nötigen Drive und die Ausdauer mitbringen.“
Von der Lausitz nach Westbrandenburg
Die aus Calau stammende Berlinerin bringt die generalistische Perspektive mit, die zur Evaluation von Projekten in unterschiedlichsten Branchen fast unabdingbar ist. Als Tochter eines Ingenieurs und einer leitenden kaufmännischen Angestellten absolvierte sie im letzten Diplom-Jahrgang vor Einführung des Bachelors ihr BWL-Studium an der THB. Nach Stationen am Fraunhofer IPK und einem Master in Entrepreneurship der Technischen Hochschule Blekinge in Karlskrona (Schweden) zog es die junge Frau 2016 wieder zurück in die Havelstadt.
Seitdem hat die Startup-Beraterin im unternehmerischen „Gewächshaus“ der THB schon viele kleine Pflänzchen gehegt und gepflegt. Die Bandbreite an Produkten reicht von Webentwicklung über Refill-Deosprays bis hin zur Klangschalentherapie. Über 300 Gründerinnen und Gründer haben die Angebote des Gründungscampus genutzt, sei es im Duo oder Dreierpack oder auch als Solotänzer. „Nur die wenigsten Projekte verlaufen straight bis zur Vermarktung“, sagt Claudia Dobritius. „Einige ändern mehrmals ihre Richtung oder orientieren sich komplett neu.“ Es gibt beim Gründen keine Garantie auf Erfolg, aber eine Garantie auf wichtige Berufs- und Lebenserfahrung.
I LOCK IT: vom Modulprojekt zur Firmengründung
Mit Bravour gemeistert haben diese Gratwanderung die Brandenburger Christian Anuth und Markus Weintraut. Mit Hilfe des ZGT, der finanziellen Absicherung eines EXIST-Stipendiums und einer anschließenden Finanzierungsrunde per Crowdfunding haben die Gründer ihr Startup haveltec auf Erfolgskurs gebracht. Ihr Produkt heißt I LOCK IT. Es handelt sich um ein smartes, automatisiertes Fahrradschloss, das sich per App steuern lässt und gleichzeitig als Diebstahl-Alarmanlage dient. 2013 gewannen sie mit ihrem Prototyp den Brandenburger Innovationspreis.
„Die Idee dazu kam uns im Master-Studium, als wir im Rahmen einer Modularbeit einen Business-Plan erstellen sollten“, erinnert sich Christian Anuth. „Wir haben einfach das Prinzip der Keyless-Go-Schlüssel für Autos auf das Fahrrad übertragen.“ Der 38-jährige hatte bereits nach seinem Bachelor-Abschluss in Mechatronik mit dem Gedanken geliebäugelt, mal etwas Eigenes aufzubauen. Durch sein Master-Studium in Technologie- und Innovationsmanagement und Entrepreneurship von 2012 bis 2014 erwarb er schließlich auch das nötige Rüstzeug, um diesen großen Schritt zu wagen.
Vor, zurück und nochmal: Foxtrott für Startups
Wobei sich der große Schritt für die beiden Gründer, die zeitweise zu viert waren, eher wie Hunderte von Einzelschritten anfühlte. Mitunter sogar wie das Treten auf der Stelle oder ein Schritt zurück, bevor es dann weiterging. Eine Jahre dauernde Tanzstunde auf marktwirtschaftlichem Parkett, später das Vortanzen bei skeptischen Investoren und natürlich der Walzer durch den deutschen Bürokratiedschungel.
Doch nicht alle im Team zogen im Gleichschritt mit, die Gruppe verkleinerte sich, und richtig ins Rollen kam der Zug erst 2016, als das Startup per Crowdfunding das nötige Kleingeld für die Serienreife und Markteinführung einsammeln konnte. Heute arbeiten bei haveltec in der Bahnhofsvorstadt 15 Leute. I LOCK IT ist seit 2017 auf dem Markt und wird stetig weiterentwickelt. Der Vertrieb brummt, Bikesharing-Anbieter greifen auf das Schloss aus Brandenburg an der Havel zurück, Hersteller wie Riese & Müller oder Geero haben es als Komponente ab Werk in ihre Serienproduktion von E-Bikes übernommen.
Auch lange nach ihrer Abnabelung pflegen Christian Anuth und haveltec enge Kontakte zur Hochschule. So konnten bislang 15 Studierende im Unternehmen an Projekten, Abschlussarbeiten oder Praktika wertvolle Erfahrung sammeln. Christian Anuth kümmert sich inzwischen hauptsächlich um das Projektmanagement und die Feinabstimmung mit den Herstellern, zudem hat er das Personalmanagement und die Finanzen im Blick.
Ein regionales Netzwerk für Startups und Freiberufler
„Aber manchmal würde ich schon gern mal wieder zwei Wochen am Stück in der Werkstatt stehen und einfach nur Schlösser montieren“, verrät der aus einer Handwerkerfamilie stammende Firmenchef, der in seiner Freizeit gern Windsurfen geht und mit dem Stand-Up-Paddle-Board auf der Havel und den Kanälen der Havelstadt unterwegs ist. Arbeit macht Arbeit, lautet eine alte Binse.
Durch den freundschaftlichen Kontakt mit anderen Gründerinnen und Gründern und gelegentliche Meetups in Berlin und Brandenburg weiß Christian Anuth, dass seinesgleichen allgemein viel um die Ohren haben – und dass sich für die meisten Probleme am Ende eine unternehmerische Lösung findet. Der lockere Austausch mit anderen Selbständigen im regionalen Netzwerk Havel Valley bedeutet ihm deshalb viel. „So entsteht eine kleine Community direkt hier vor Ort in Brandenburg an der Havel.“